Alternative Desinfektionsverfahren
 

Alternativ zur Desinfektion mit Chlordioxid werden in der Praxis auch andere Verfahren zur Wasserdesinfektion und Legionellenprophylaxe eingesetzt. Diese haben jedoch im Vergleich zu Chlordioxid erhebliche Nachteile. Beispiele für solche Verfahren sind:

- Thermische Desinfektion
- UV-Entkeimung
- UV-Entkeimung und Ultraschall
- Endständige Filter
- Desinfektion mit Wasserstoffperoxid, Kaliumpermanganat, Peressigsäure
- Desinfektion mit organischen Bioziden
- Desinfektion mit Chlor
- Desinfektion mit Ozon
- Desinfektion mit Schwermetallionen (Silberionen, Kupferionen etc.)  


Thermische Desinfektion

Bei der thermischen Desinfektion muss das Rohrleitungssystem bis zu den Wasserentnahmestellen auf über 70 °C aufgeheizt werden, obwohl für die Bereitstellung von Warmwasser wesentlich geringere Temperaturen ausreichen würden. Anschließend muss jede Wasserentnahmestelle nacheinander für min. 3 Minuten mit min. 70 °C warmem Wasser durchgespült werden. Um alle im Leitungssystem vorkommenden Keime (z.B. Legionellen) abtöten zu können, muss das gesamte Rohrleitungssystem bei der thermischen Desinfektion auf die entsprechenden hohen Temperaturen gebracht werden. Dies ist ein sehr personal- und energieaufwendiger Prozess, der eine Vielzahl an Nachteilen hat und in der Praxis oft nicht durchführbar ist:

- Vermehrte Kalkausfällung führt zu Inkrustierungen im System
- erhöhtes Korrosionsrisiko und schnellere Materialermüdung
- erhebliche Verbrühungsgefahr (besonders gefährlich für ältere Menschen und Kinder)
- sehr großer Personalaufwand
- hohe Energiekosten

Bei der thermischen Desinfektion ist eine nachhaltige Desinfektion nicht gegeben. Der Biofilm im Rohrleitungssystem wird nicht abgelöst, sondern dient Legionellen und anderen Bakterien weiterhin als Schutzraum und Substrat. Die thermische Desinfektion stellt deshalb keinen sicheren Schutz gegen Keime und Legionellen dar.


UV-Entkeimung
 

Die Wirkung der UV-Entkeimung beruht darauf, dass die in Mikroorganismen enthaltenen Proteine und Aminosäuren durch Bestrahlung mit ultraviolettem Licht mit einer Wellenlänge von 254 nm zerstört werden. Dies führt zum Absterben der Mikroorganismen. Ein wesentlicher Nachteil der UV-Entkeimung ist, dass diese nur lokal am Einbauort wirksam werden kann. UV-Stahlen können nur die Keime im freien Wasser zerstören, auf die sie direkt treffen. Ein Biofilmabbau oder eine nachhaltige Entkeimung des gesamten Wassersystems ist damit nicht möglich. Im Gegenteil dazu wird der Biofilm sogar noch mit abgetötenen Mikroorganismen versorgt, die anderen Keimen als Nahrungsquelle dienen. Ein weiterer Nachteil ist die geringe Wirksamkeit gegen Amöben, Algen und Viren.
UV-Entkeimungssysteme sollten immer zusammen mit anderen Desinfektionsverfahren eingesetzt werden, um überhaupt wirksam zu sein. Sie stellen für sich allein kein geeignetes Mittel zur Legionellenprophylaxe dar. Bei einem ausschliesslichen Einsatz einer UV-Entkeimungsanlage kann nicht gewährleistet werden, dass an den Entnahmestellen ein einwandfreies Wasser bereitgestellt wird.
  

UV-Entkeimung und Ultraschall

Bei kombinierten UV-Ultraschall-Entkeimungssystemen werden größere im Wasser enthaltene Mikroorganismen (z.B. Amöben), die durch UV-Entkeimung nicht beseitigt werden können, zunächst durch Ultraschalleinsatz aufgeschlossen und anschließend im UV-Strahlungsfeld abgetötet. Die Wirksamkeit dieser Systeme zur Wasserdesinfektion wird dadurch etwas verbessert, die Nachteile bleiben jedoch die gleichen wie bei der UV-Entkeimung. 


Endständige Filter

In endständigen Filtern werden lediglich die im Wasser enthaltenen Keime zurückgehalten. Eine Abtötung der Mikroorganismen und eine Desinfektion des Wassersystems findet dagegen nicht statt. Um durch endständige Filter einen wirklichen Schutz vor im Wasser enthaltenen Keimen zu gewährleisten, müsste vor jeder Wasserentnahmestelle ein solcher Filter eingebaut werden. Da solche Filter sich relativ schnell zusetzen und verkeimen, müssen sie bereits nach kurzer Zeit gewechselt werden. Dies führt zu großen Material- und Personalkosten, die den Einsatz entsprechender Filtersysteme sehr teuer machen.


Desinfektion mit Wasserstoffperoxid, Kaliumpermanganat oder Peressigsäure

 Wasserstoffperoxid, Kaliumpermanganat und Peressigsäure sind Oxidationsmittel, die zur chemischen Wasserdesinfektion eingesetzt werden. Sie besitzen ein Redoxpotential, dass stark vom pH-Wert abhängig ist. Bereits ab einem pH-Wert von ca. 7 verringert sich das Redoxpotential und damit auch das Desinfektionspotential dieser Verbindungen. Bei höheren pH-Werten (> 8) wird Wasserstoffperoxid zum Reduktionsmittel, dass den im Wasser enthaltenen Mikroorganismen sogar als Sauerstoffquelle dienen kann. Die Desinfektionswirkung entsprechender Verbindungen ist so gering, dass diese in wesentlich größeren Konzentrationen angewendet werden müssen als Chlordioxid. Eine Langzeitstabilität im Leitungsnetz ist ebenfalls nicht gegeben, da sich die Verbindungen katalytisch zersetzen.

Wasserstoffperoxid, Kaliumpermanganat und Peressigsäure sind nicht als Desinfektionsmittel für Trinkwasser zugelassen!  


Desinfektion mit organischen Bioziden
 

Organische Biozide wirken meist spezifisch auf bestimmte Keimarten. Durch Blockade eines Enzyms, eines Enzymkomplexes oder einzelner Rezeptoren der Membranoberfläche der Mikroorganismen wird der Stoffaustausch der Mikroorganismen mit dem Wasser unterdrückt oder der Stoffwechsel innerhalb der Mikroorganismen soweit beeinträchtigt, dass diese absterben. Ihre Wirksamkeit wird jedoch dadurch eingeschränkt, dass viele im Wasser enthaltenen Mikroorganismen nach einer gewissen Zeit eine Resistenz gegen das organische Biozid ausbilden und sich deshalb als Mutationsform weiter vermehren können. Dies hat zur Folge, dass immer neue Biozide eingesetzt werden müssen, um diese Mutationsformen bekämpfen zu können. Dieser Umstand führt beispielsweise zum Hospitalismus, d.h. durch den massiven Einsatz von nicht oxidierend wirkenden Desinfektionsmitteln entsteht eine hohe Anzahl an resistenten Keimen, die zu einem erheblichen Gefahrenpotential für Mensch und Umwelt werden. Ein weiterer Nachteil von organischen Bioziden ist, das sich diese in der Nahrungskette anreichern können. Aus diesem Grund wurde von der EU eine Biozidrichtlinie erlassen, nach der die Ungefährlichkeit des jeweiligen Biozids in der Umwelt nachgewiesen werden muss.

 
Desinfektion mit Chlor (u.a. Chlorbleichlauge, anodische Oxidation, elektrolytische Desinfektion)

Chlor ist ein bekanntes Mittel zur Wasserdesinfektion, dessen Wirkung darauf beruht, dass es im Wasser zur unterchlorigen Säure dissoziert, die aufgrund ihres hohen Redoxpotentials (E0 = 1,49 V) keimtötend wirkt. Das Redoxpotential der unterchlorigen Säure ist jedoch stark vom pH-Wert abhängig. Ab einem pH-Wert von 7,5 verliert eine Chlorung ihre desinfizierende Wirkung, da die unterchlorige Säure in das Hypochloritanion umgewandelt wird. Sowohl die unterchlorige Säure als auch das Hypochloritanion reagieren mit Biomasse und Mikroorganismen sowohl chlorierend als auch oxidierend. Dadurch kommt es zur Bildung von schädlichen Chlorverbindungen als Reaktionsprodukten. So entstehen beispielsweise bei einer Reaktion mit im Wasser enthaltenen Humussäuren sowohl leichtflüchtige THM (Trihalomethane) als auch schwerfüchtige Chlorkohlenwasserstoffe und übelriechende Chlorphenole. Ein weiterer Nachteil ist, dass eine Vielzahl an Bakterien und Viren resistent gegen eine Chlorierung sind. Im Schwimmbadwasser bilden sich darüber hinaus giftige und schleimhautreizende Chloramine, die den typischen Hallenbadgeruch erzeugen. Viele organische Chlorverbindungen (AOX, Chloramine), die beim Einsatz von Chlor als Desinfektionsmittel gebildet werden, stehen im Verdacht, gesundheitsschädlich und krebserregend zu sein. Deshalb wurden vom Gesetzgeber strenge AOX-Grenzwerte festgesetzt, die in der Regel beim Einsatz von Chlor überschritten werden.  

Aufgrund der vielen Nachteile sollte ein Einsatz von Chlor bei der Wasserdesinfektion möglichst weitgehend vermieden werden. Sollte er dennoch notwendig und vorgeschrieben sein (z.B. im Schwimmbadbereich), sollte die eingesetzte Chlormenge z.B. durch einen kombinierten Einsatz von Chlor und Chlordioxid deutlich reduziert werden. Der Einsatz von Chlor als Desinfektionsmittel nach den Vorgaben der TrinkwV2001 stellt keinen sicheren Schutz gegen Biofilmbildung und Legionellen dar. Dies gilt auch für Chlor, dass nach dem Prinzip der anodischen Oxidation oder elektrolytisch erzeugt worden ist.
 

Desinfektion mit Ozon


Ozon ist ein sehr instabiles oxidativ wirkendes Gas, dass ein sehr hohes Redoxpotential       (E0 > 2 V) und dadurch eine sehr große Desinfektionswirkung besitzt. Es ist sowohl bakterizid als auch viruzid wirksam und sehr giftig. Aus diesem Grund muss es z.B. durch Aktivkohlefilter zurückgehalten werden, bevor es ins Trinkwasser gelangen kann. Die Halbwertszeit von Ozon ist so gering, dass in einem Rohrleitungsnetz keine Desinfektionsmittelkapazität aufrecht erhalten werden kann. Eine nachhaltige Entkeimung ist damit nicht möglich. Ein weiterer Nachteil ist, dass die natürlich im Wasser enthaltenen Chloride zu Chlor oxidiert werden (mit allen entsprechenden Nachteilen, s.o.). In bromhaltigen Wässern bilden sich Bromate, die Nierenkrebs auslösen. Ozon ist schlecht wasserlöslich und muss in einem aufwendigen und teuren Verfahren aus Luftsauerstoff gewonnen werden. Die Herstellung von Ozon ist sehr energieaufwendig. Aufgrund seiner Giftigkeit darf Ozon nur in geschlossenen Systemen unter Einhaltung strenger Sicherheitsauflagen eingesetzt werden.


Desinfektion mit Schwermetallionen
 

Die zur Wasserdesinfektion eingesetzten Schwermetallionen (Silberionen, Kupferionen, Bleiionen etc.) sind positiv geladene Kationen, die sich an die oftmals negativ geladene Oberfläche von Mikroorganismen anlagern und deren Stoffwechsel unterbinden. Sie wirken dadurch nicht sofort keimtötend, sondern haben lediglich einen bakteriostatischen Effekt. Alle Schwermetallionen haben neben einer positiven Wirkung als Spurenelemente die Eigenschaft, sich in größeren Dosen im Körper anzureichern und dadurch den menschlichen Stoffwechsel und ggf. auch das Nervensystem zu schädigen. Ein weiterer Nachteil ist, dass Schwermetallionen über das Abwasser in die Umwelt gelangen, sich dort ablagern und durch Akkumulation in der Nahrungskette zu Fischsterben führen können.

Schwermetallionen sind nicht als Desinfektionsmittel für Trinkwasser zugelassen! Lediglich in einer Notfallsituation (z.B. Erdbeben, Krieg etc.) ist ein Einsatz unter Einhaltung strenger Grenzwerte erlaubt.